Überraschungsbesuch

Samstag früh, ich spanne mein treues Roß an, das mir das Sanitätshaus netterweise heimgefuhrwerkt hat.
Hm, wo fahre ich hin? Ach ich schau mal, wie ich ins Nachbardorf komme, da kann ich auch gleich den Weg in die Verbandsgemeindeverwaltung erkunden.
Außerdem wohnt mein Freund und Duopartner mit seiner Familie da. Vielleicht sind sie ja daheim. Wenn nicht, hab ich ne schöne Tour gemacht.
Bis zur Unterführung an der Bahnstrecke war ich schon, die hab ich sogar schon von Hand geschafft, da müsste es auch weiter gehen.
Und das tut's auch. Eine Neubausiedlung tut sich auf, hmm - die Häuser sehen nicht gerade billig aus. Ist schon interessant, was Architekten plötzlich für gute Ideen haben, wenn das Budget nicht zu knapp ist.

Oh, noch eine Unterführung! Da haben die Verkehrsplaner mal gedacht. Auf der anderen Seite der Ausfallstraße sind Schulen zu sehen.
Egal, wo ich hin möchte, ich muß die Unterführung verwenden. Der Zugang zur Unterführung ist optisch einladend gestaltet, während der direkte Weg, der die Straße kreuzen würde, durch eine geschickt gesetzte Schikane wie ein Umweg wirkt. Der einzige Wermutstropfen ist, dass die Unterführung ziemlich steil angelegt ist. So steil, dass sogar Radfahrer absteigen müssen.
Aber zum Glück habe ich ja meinen Zossen, der mich auf der anderen Seite wieder hochzieht.

Jetzt geht es ein Stück durch den Wald, quer durch den Nachbarort und schon biege ich in die Straße ein, in der unsere Freunde wohnen.
Sie wissen nicht, dass ich dieses Wochenende zu Hause bin. Ich freue mich schon auf die Gesichter. Vor dem Haus kupple ich ab und parke meine Zugmaschine außer Sicht.
Dämlich - Für den Klingelknopf sind meine Arme zu kurz. Käme ich die Treppe hoch, dann wäre das kein Problem.
Der Architekt hat natürlich nicht damit gerechnet, dass mal ein Rollstuhlfahrer vor der Tür steht und klingeln möchte.
Meine Frau hat mir eingeschärft, immer wenn ich das Haus allein verlasse, mein Handy mitzunehmen. Heute habe ich mal auf sie gehört, also Nummer gewählt, Klingelton, "Hallo?"
"Guten Morgen, kommst Du bitte mal zur Tür?"
Da steht er, das Telefon in der Hand, das Gesicht ein großes Fragezeichen, ein letztes, irritiertes "Hallo" ins Telefon.
Langsam malt sich das Erkennen auf seinem Gesicht ab, er beendet das Telefonat, und läßt eine leicht verdutzte Version des verschmitzten Grinsens sehen, das unsere weiblichen Fans manchmal etwas irrational reagieren läßt.
"Was machst 'n Du hier?", "Och, ich war grad in der Nähe und dachte mir, ich schau mal ob ich mir 'n Kaffee schnorren kann".
Jetzt hat er sich von seiner Überraschung erholt, kommt die Treppe herunter und fällt mir um den Hals. Seine Frau ist inzwischen auch aufgetaucht und zeigt mal wieder, dass sie mit Überraschungen besser umgehen kann.
Ihr Gesicht, die ganze Haltung drückt die Freude aus, mich so fit wieder zu sehen.

Mein Treppensteiger steht zu Hause und eigentlich sind die beiden auf dem Sprung. Aber für einen Kaffee ist immer Zeit, den kann man auch im Hof trinken.
Schnell kommt das Gespräch auf die Musik: "Ach, ich hab am Freitag übrigens einen kleinen Gig, hast Du Bock?"
Was für ne Frage, klar hab ich Bock, und wie!

Schade, dass wir unseren kleinen Plausch so schnell beenden müssen, aber das kann halt bei Überraschungsbesuchen schon mal passieren.
Ich zeige den beiden noch, wo ich meine Maschinerie geparkt habe, spanne an und sause wieder los.
Das hat gut getan. So kleine Spontanaktionen machen einfach Spaß.