Der Unfall

Eigentlich sollte es eine unvergessliche Trike-Tour werden. Obwohl, so gesehen wurde es unvergesslich. Nur die Tour war kürzer als geplant. Viel kürzer. 

Seit den Filmen mit Thomas Gottschalk und Mike Krüger sind meine Frau Renate und ich begeisterte Triker. Jetzt ist so ein Trike in der Anschaffung und Unterhaltung nicht gerade billig. Aber wozu gibt es Verleiher? Auf diese Weise können wir immer ein gut gewartetes und versichertes Trike fahren und in der Zwischenzeit steht es uns nicht in der Garage rum und nimmt Platz weg. Ich fahre am liebsten den Low Rider von Boom, Renate steht mehr auf den Highway. Gut, der Schalthebel unter der linken Pobacke ist jedes Mal aufs Neue etwas gewöhnungsbedürftig aber irgendwie gehört das dazu. Manche behaupten, die Boom Trikes wären für ihr Gewicht untermotorisiert, ich sage dazu gutmütig. Hallo, wenn ich Rennen fahren will, dann hol ich mir so ein rotes Teil aus Italien. Na jedenfalls, wir wollten mal einen anderen Verleiher ausprobieren und fanden einen ganz in der Nähe. Der machte auch einen guten Eindruck, hatte eine blitzsaubere, große Halle, in der jede Menge Leih- und Kauftrikes herumstanden. Einige hatten den Schalthebel mitten auf der Tankimitation und sahen auch so recht flott aus. Kürzere Vordergabel, dafür ein paar PS mehr. Aus einer Ecke schaute verstohlen ein oller Low Rider hervor – ach komm, laß uns mal so einen neuen Flitzer antesten. 

Gleich bei der Proberunde merkte ich, Hoppla, die Dinger sind eine ganze Ecke sensibler, da muß ich den Gasgriff aber mit den Fingerspitzen bedienen. Renate war ganz begeistert und hatte sich schnell auf das etwas andere Fahrgefühl eingestellt. Fast kam es mir wie ein Verrat an meinem guten alten Low Rider vor, aber das Glänzen in den Augen meiner liebsten Sozia…

Aus Kostengründen hatten wir uns entschieden, diesmal nur ein Trike zu leihen und uns beim Fahren abzuwechseln. Dafür wollten wir eine ganze Woche unterwegs sein. Einmal quer durch die Republik, von links unten nach rechts oben und wieder zurück. Am 17. Juni, dem früheren Tag der Deutschen Einheit wollten wir in Berlin sein und Hand in Hand durchs Brandenburger Tor gehen. Das kannten wir beide nur mit so einer hässlichen Mauer davor. Anschließend hatten wir vor, uns an der Spinnerbrücke mit ein paar Leuten aus dem X8-Forum zu treffen. Privat fuhr ich seinerzeit einen Piaggio X8.

Aber manchmal kommt es eben anders ...

Der 14. Juni versprach ein herrlicher Tag zu werden. Wir kletterten auf unser Trike und rollten gemütlich los. So gegen 8 Uhr war natürlich etwas Berufsverkehr. Wir konnten nicht direkt in die Hauptstraße einbiegen, sondern mussten auf eine Verkehrslücke warten. Da war sie auch schon. Also Kupplung, Gas, holla, nicht so viel, sonst steigt das Vorderrad. Aber der erfahrene Rollerfahrer weiß natürlich, wie man in einer solchen Situation reagiert. Gas geben und mit dem Oberkörper in die Richtung lehnen, in die man will und schon stabilisiert sich das Ganze wieder - Normalerweise. Heh, ich will nach links, nicht geradeaus, wo sind denn die Bremshebel geblieben, was macht denn die Mauer da – Bumm.

Ich liege da, schaue in den Himmel. Warum sitzt denn mein Helm so blöd? Der Motor läuft noch, den sollte ich vielleicht abstellen. Ich will die Hand heben, aber da, wo ich meine Hand vermute, schaut nur ein Stück Knochen raus. An meinem Unterarm baumelt ein Handschuh. Ah, da ist die Hand, tut gar nicht weh. Hihi, da müssen die in der Klinik aber ganz schön dran schaffen. Aber mein Rücken tut weh! Bestimmt bin ich auf diesen bescheuerten Idiotenbügel geknallt. Rücken? Hab ich einen Unfall gehabt? Zum Glück haben wir Vollkasko. Wir? Unfall?? Scheiße!!! NADDY, BIST DU OK??? Renate meldet sich, sie scheint in Ordnung zu sein. Ich bin froh, dass ihr nichts passiert ist. Aber was ist mit mir? Also, die Hand ist im Eimer, den Rücken habe ich mir angehauen, das Atmen ging auch schon mal besser. Der Rücken, DER RÜCKEN!!! Mist, kann ich mit den Zehen wackeln? Weiß nicht, es tut alles ganz gemein weh. OK, keiner darf mich anfassen, da muß ein Spezialist für Rückenverletzungen her. Ich höre ein Martinshorn, dann noch eins.
Hallo, wie heißen Sie, wissen Sie was passiert ist. Scheint ein Polizist zu sein. Ich sage ihm, was er wissen will und noch, dass mich keiner anfassen darf, weil mein Rücken…
 

Hallo, ich bin der Rettungsassistent, wie heißen Sie? Hab ich doch gerade erst, OK, Name, Schuhgröße, etc. Wir müssen Ihnen eine Halsmanschette anlegen. Mich fasst niemand an! Ich habe den Rücken verletzt.

Hallo, ich bin der Notarzt, wie heißen Sie? Nicht schon wieder! Wir müssen Ihnen eine Halsmanschette anlegen. MICH FASST NIEMAND AN! Ich habe den Rücken verletzt!!!

Irgendwo hinter mir sagt jemand: “Jetzt reicht’s ich geb ihm was.“ Dann geht das Licht aus. 

Das Licht geht wieder an, aber irgendwie stimmen die Farben nicht. Es ist wie bei einem Sonnenuntergang im Hochsommer. Alles sieht aus, als würde ich es durch einen Weichzeichner betrachten. Ich sehe das Trike. Der rechte Kotflügel ist eingedrückt. Der Idiotenbügel ist ziemlich verbogen. Unter dem Lenker ist etwas abgebrochen. Aber so alles in allem sieht das ziemlich unspektakulär aus. Die Leute sehen alle zu einem Rettungswagen, der sich unter mir befindet und gerade losfährt. Wieso bin ich über dem Rettungswagen? Irgendetwas zieht an mir, dann geht das Licht wieder aus